Vier Münchner Sonaten 1939 bis 48 als Spiegel der Geschichte - Wolfgang Jacobi, Karl Amadeus Hartmann, Werner Egk, Hans Winterberg
Wolfgang Jacobi und Karl Amadeus Hartmann waren prägende Persönlichkeit des Münchner Konzertlebens in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Jacobi als Hochschullehrer und Funktionär sowohl des Münchner wie auch des Bayerischen Tonkünstlerverbandes, Hartmann als visionärer Gründer der Musica Viva. Doch beide gehörten zu den gefährdeten Künstlern im 3. Reich, Jacobi ob seiner jüdischen Abstammung und Hartmann seiner unangepassten Musik wegen, die von den Nazis mit einem Aufführungsverbot belegt wurde.
Dagegen steht Werner Egk für die Künstler, die zumindest von der Bewunderung der herrschenden Schicht profitierte und mit Kompositionsaufträgen, Aufführung und Ehrungen überhäuft wurde. Hans Winterberg wiederum war nicht nur gefährdet, er durchlebte das Grauen der Konzentrationslager und entging nur knapp dem Tod, anders als viele seiner Familienangehörigen, die dem Rassenwahn der Nazis erlegen sind. Trotzdem zog es den jüdischen Shoa-Überlebenden Winterberg nach München und später ins Münchner Umland, wo er bis zu seinem Tod 1991 lebte.
Das früheste der vier Werke im Programm ist die 1939 im italienischen Exil entstandene dritte Sonate von Jacobi. Obschon nicht programmatisch, ist die Angst um die eigene Zukunft unüberhörbar. Von Idylle keine Spur, nur Verzweiflung kennzeichnet dieses gewichtigste Werke für Klavier des Komponisten. In Italien konnte er übrigens nicht lange bleiben und so kehrte er mit seiner Familie in den Kriegsjahren nach München zurück und blieb in dem Haus versteckt, das heute von seinem Urenkel bewohnt wird.
Im Frühjahr 1945 schien der Krieg bald vorbei zu sein und obwohl ihr Untergang besiegelt war, setzten die Nazis die Überlebenden ihrer KZs in die sogenannten Todesmärsche, so auch aus dem KZ Dachau am 27. April 1945. Karl Amadeus Hartmann befand sich ebenfalls in München und in „innerer Emigration“, doch der Eindruck der vorbeiziehenden Häftlinge war so stark, dass er sich zur Komposition seiner Sonate inspirieren ließ, einem pianistischen Mahnmal gegen das Vergessen aller von den Nazis begangener Gräueltaten.
Doch auch ein Komponist wie Werner Egk war und ist Teil der Deutschen Kulturgeschichte. Aus musikalischer Sicht von seinen zeitgenössischen Kollegen durchaus anerkannt und geschätzt, haftet an ihm der Makel zumindest der Nutznießerschaft des NS-Regimes. Und obschon auch er ein Entnazifizierungsverfahren durchlief und entlastet wurde spricht vieles dafür, dass er sich vom Regime nicht distanzieren wollte. Absurderweise behauptete er später Wolfgang Jacobi gegenüber, dass er (also Egk) es war, der durch die Nazis gefährdet wurde. Trotz diesen Mangels an Reflexion und der Dreistigkeit der falschen Behauptung finde ich es wichtig, sich mit ihm als schöpferischen Geist auseinanderzusetzen. Seine einzige Klaviersonate entstand 1947.
Das Programm beschließt die 1948 ebenfalls in München entstandene vierte Klaviersonate Hans Winterbergs, der ebenfalls Werner Egk begegnet ist, waren beide beim Bayerischen Rundfunk tätig.
Stilistisch lassen sich in der Jacobi-Sonate neoklassizistische Tendenzen und durchaus pianistische Virtuosität feststellen, bei Hartmann die für ihn typische Expressivität, bei Egk eine Stravinsky-nahe Klassizität, während bei Winterberg das Überwinden der Dodekaphonie vorherrschend ist.
Eintritt frei
